Zirkusfamilie Loyal in Frankreich

Im Nachlaß von Hans Loyal aus Meran fand sich das vorliegende, lustige Kinderbuch. Es erschien im Jahre 1946 in Paris, illustriert von Calvo, Edition G.P., 80 Rue St. Lazare Paris, "Mr. LOYAL presente ... Animaux Boniments Cabrioles". Das Buch vermittelt Kindern das ABC durch lustige kleine Zirkus-Geschichten. Weiterhin fand sich in den Unterlagen ein Zeitungsartikel aus einer französischen Illustrierten (etwa 1950). Er enthält gleichfalls eine bebilderte Kindergeschichte, in dem ein Zirkusdirektor "Monsieur Loyal", eine Rolle spielt. Dieses Buch veranlaßte mich weitere Informationen über die Linie der französischen Zirkusfamilie Loyal zu erforschen.

In Frankreich wird im Volksmund der Dompteur, der Manegemeister oder der Zirkusdirektor "Monsieur Loyal" genannt. Diese eigenartige Bezeichnung war in unserer Familie schon lange bekannt, doch nicht die Erklärung. Um dies herauszufinden, begann zunächst eine systematische Sucharbeit in der Frankfurter Universitätsbibliothek. In mehreren Büchern fand sich des Rätsels Lösung.

Ab Mitte des 18. Jahrhunderts lebte in Paris eine namhafte und weltweit berühmte Artisten- und Zirkusfamilie mit dem Namen Loyal. Sie zählt zu den ältesten und bekanntesten in Frankreich.
Über acht Generationen haben Artisten den Namen Loyal in der ganzen Welt bekannt gemacht. Traditionsgemäß lernten fast alle Nachkommen zunächst das Reiten, bevor sie sich dann selbst für eine der vielen artistischen Fachrichtungen entschieden. Die Familie Loyal wurde berühmt durch ihre Pferdedressur. Die typische Bekleidung des "Monsieur Loyal" bestand aus einem blauen Frack mit goldenen Knöpfen, andersfarbigen Hosen, Reitstiefeln und Zylinder. Monsieur Loyal war der Sprechstallmeister, der in früherer Zeit die Aufgabe des Spielleiters und Regisseurs übernahm. Er sorgte als Ansager und Spielleiter für einen reibungslosen Ablauf innerhalb des Programms. Heute ist der Stallmeister der Spielleiter.

Einen wesentlichen Einfluß übten einige Mitglieder der Familie Loyal auf die Entwicklung der Clownerie in Frankreich und später in der ganzen Welt aus. Aus seiner zirkusfeindlichen Haltung hatte es "Astley" in England erreicht, daß durch ein Gerichtsurteil den Clowns im Zirkus das Sprechen verboten wurde. Daraus entwickelte sich in England der stumme Pantomimenclown. Italien wurde im besonderen Maße die Heimat des Musikalclowns. In den deutschen Manegen gab es den "dummen August" als akrobatischen Clown, und in Frankreich wurde der Sprechclown zur zentralen Manegefigur, und das nicht zuletzt durch Clowns aus der Familie Loyal. Die Dialoge der französischen Clowns wurden zu "Klassikern", die sich weit über die Grenzen Frankreichs hinaus in die Manegen der Welt verbreiteten. In den überlieferten Texten der französischen Clowndialoge ist bis in die Gegenwart, der Gesprächspartner des Manegeclowns "Monsieur Loyal".
Von den Erfolgen der Familie Loyal wird bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts berichtet. Eine letzte quellenmäßige Erwähnung finden wir unter anderem im Jahre 1948, wo Familienmitglieder im Zirkus Olympia und im Zirkus Harringay mit einer Taubendressur auftraten. Bereits 1912 trat, gleichfalls mit einer Taubendressur, jedoch in Verbindung mit einem Drahtseilakt, eine Sylvia Loyal (Z V 52) im Zirkus Alhambra auf. Nachkommen aus dem Familienzweig sind bis in unsere Tage als Artisten tätig.

In dem Buch N.N., "Catalogue de la Bibliotheque de l'opere 'LE CIRQUE' Iconographie", Paris 1969, findet sich im Kapitel 'Le Cirque Acrobatique, Cirque d'Ete-Cirque' folgendes unter Nr. 45: "Cirque d'Été. Carré Marigny. Champs-Elysees ... Debut de Félix Cariot, Lolo Sylvester, Lola, les americains Boisset's, Mademoiselle L. Renz, pitouettes, sauts perilleux. Cinquevalli freres, M. Fillis et Mlle Adeline, Chevaux dresses en Haute-Ecole, MM. Loyal (MM. = Monsieur) et Wulff, chevaux dresses en liberte, les clowns Billy Hayden et A. Nava." Lith. en coul. Paris, Affiches Americaines Ch. Levy, 1880-H. 0,585; L. 0,845. [Affiches. Cirque d'Ete.

Im gleichen Buch, unter dem Kapitel C. ist ferner zu lesen: "Haute Ecole (b.) Artistes non identifies et Groupes: Nr. 429 "Cirque Loyal. Tableau equestre." (Reiter-Plakat bzw. Reiterbild) Lith. signee V.P. Dijon, Lith. A. Leroy, s.d.- H. 0,465; L. 0,670. Cirque 6 (29) Huit chevaux sur une pyramide etagée. (Acht Pferde auf einer Stufenpyramide). Voir aussi les chapitres II et IV consacres au Theatre equestre et aux Hippodromes." (Siehe auch die Kapitel II und IV, die dem Reiter-Theater und dem Hippodrom gewidmet sind).

 

Schulreiter und Zirkusfamilie Loyal

Henri de Toulouse-Lautrec (1864 - 1901) malte einen Stallmeister Loyal in einer Zirkusszene um 1888 und in einem Spätwerk um 1899.

Gemälde "La Cavallerie - In the Circus Fernando the Ringmaster Monsieur Loyal" 1887/88 Chicago Art Institut, Foto: D. LoyalZeichnung von Toulouse-Lautrec 1899 "Au Cirque, travail sans selle" Museum of Art Rhode Island, Foto: D. Loyal

In einem Brief v. 7.5.1940 schrieb Franz Loyal, Berlin, an Adolf Loyal, Berlin, folgendes:
"Schließlich kommt unser Name viel in Zirkus-Kreisen vor. Ich erinnere mich, daß vor ca. 60 Jahren (also um 1880), in einer Memeler Zirkus-Vorführung, Akrobaten dieses Namens auftraten. Im übrigen habe ich vor einigen Jahren auch in der Berliner Skala Bilder einer Schulreiter-Familie Loyal gesehen. Ob diese Deutsche waren, vermag ich nicht zu sagen." (K 17).

In der franz. Sprache gebrauchen Reiter als Bezeichnung für ein weiches Pferdemaul "bouche loyale", oder so sagt ein Reiter zu einem gehorsamen willigen Pferd, "cheval loyal".

Auf den Spuren der Nachkommen der weltberühmten Zirkusfamilie Loyal begann die Suche zunächst in Paris. Über die Auslandstelefonauskunft wurden im November 1986 die Adressen von drei Damen bekannt, welche zuletzt noch in Paris lebten. Willi Loyal aus Freiburg i. Br. schrieb am 8.12.1986 einen Brief an die drei Damen. Am 26.12.1986 antwortete Madame Poulette Loyal und schickte einen Stammbaum der Familie Loyal ("Arbre Genealogique de la famille Loyal"). Es handelt sich um eine Kopie für die Kinder des Arsenè D. Loyal, angefertigt in Paris am 10.4.1933. (K 10).

"ARBRE GENEALOGIQUE DE LA FAMILLE LOYAL"

Links oben in der Ecke steht: "Genealogischer Baum von der Familie Loyal". In den Wurzeln finden wir die Worte:

"CIRQUE LOYAL"

"FONDE EN 1812 D'APRES UN PROGRAMME DE DIJON LE 22 JUILLET 1860."

"Zirkus Loyal"; "Gegründet im Jahre 1812 nach einem Programm von Dijon den 22. Juli 1860" (sicher nach einem alten Zirkusplakat) . Der Zirkus assoziierte um 1850 mit dem "Cirque Blondin". Die im Laufe der Generationen gegründeten verschiedenen Zirkusse der Familie Loyal gehörten zu den Spitzenunternehmen in Frankreich. Letztmalig wurde ein Zirkus unter diesem Namen um 1972 erwähnt.
Im Jahre 1996 fand Dierk Loyal den ersten Kontakt zu Lorenzo Frediani der ebenfalls die Zirkusfamilie Loyal erforscht. Durch Austausch von Unterlagen konnte der Familienzweig erheblich ergänzt werden. Weitere Recherchen sind jedoch noch erforderlich.


Z = Zirkusfamilie Loyal in Frankreich

Z I. G e n e r a t i o n

Stammvater der Zirkusfamilie Loyal

Kinder von: ? (verm. F II 2 ?)

Z I 1
Loyal, Anselme Pierre, * ... (um 1746/1747) in ... (verm. Paris), (kath.), ? 4.7.1826 in Nogent-le-Rotrou (11 Uhr Vormittags, ca. 80 J.),  5.7.1826 in Nogent-le-Rotrou*1, Beruf: wird um 1800 als "sellier" (=Sattler) bezeichnet und "écuyer de Manège" (=Kunstreiter), wird 1805 als "Sauteure" (= Spriger = Kunstspringer) und später als "Ecuyer" bezeichnet, lebte um 1800 in Paris in der Rue de Ménilmontant No. 208, und kurz vor seinem Tode in der Rue Saint Muor No. 79, war um 1810 für die Gesellschaft Saunders & Darke unterwegs*2, gründete 1812 den "Cirque Loyal", oo 11.3.1781 in Dième/Rhône (ehem. Departement Mont Blanc, kath.),*3 mit Jeanne-Marie Gaillard (Guillard), * 4.8.1763 in Villefranche sur Saone, ? 3.12.1838 in St. Valery en Caux, sie lebte zuletzt seit 1832 in St. Sulice de Cognac, ((To.v. ...)). (K 283); (K 293); (K 325); K 329); (K 421).

Kinder: Z II 1 - Z II 5

Q: K 10: "Blondin Loyal, Directeur de manege, vers 1830. Rivale de Franconi de Paris." Da Anselm Pierre L. bereits vor 1830 verstarb, beziehen sich diese Angaben wohl auf die nächste Generation.
*1 Siehe Sterberegister Nogent le Rotrou, Nr. 259: "Du cinq Juillet mil huit cent vingt six, à onze heure du matin. Acte de Décés de Anselme Pierre Loyal, écuyer, époux de Jeanne-Marie Gaillard, âgé d' environ quatre vingt ans, natif de Paris, J demeurant, rue Saint muor, Numéro Soixante neuf, décédé le Jourd'hier à huit heures et demie du soir, au domicile du sieur Jean-Jacques Jousse, aubergiste, demeurant en cette ville, rue de la Chaussée. Sur la déclaration faite par le dit sieur Jean Jacques Jousse, et par le sieur Pierre-Maxime Viallet, marchand Juincailler, demeurant en cette ville, rue Saint hilaire, tous deux majeurs, les quels ont signé le présent acte, parès lecture faite: Jean Jaques Jousse, Vaillet. Constaté par nous maire et officier de l'état civil, soussigné ..." (K 293).
Sterbeurkunde. "Am 5. Juli 1826, vormittags um 11 Uhr wird angezeigt, daß Anselm Pierre Loyal, Kunstreiter, Ehemann von Jeanne-Marie Gaillard, verstorben ist. Er wurde in Paris geboren und wurde ungefähr achtzig Jahre alt, wohnhaft in der Straße "Saint muro" Nummer neunundzwanzig, verstarb am gestrigen Tag um 8 1/2 Uhr abends, im Haus des Herrn Jean-Jaques Jousse, Gastwirtschaftsbesitzer, der in dieser Stadt seinen Wohnsitz in der Chaussée-Straße hatte. Die Sterbeerklärung wurde von dem genannten Herrn Jean Jaques Jousse und Herrn Pierre-Maxime Vaillet, einem Kaufmann gefertigt. Pierre-Maxime Vaillet wohnte in dieser Stadt in der Saint hilaire-Straße. Alle beide sind mündig und haben die vorliegende Sterbeurkunde unterschrieben nachdem sie vorgelesen wurde mit ihrem Namen ... Amtlich bestätigt wurde die Sterbeurkunde durch den Bürgermeister und den Standesbeamten mit ihren Unterschriften."
*2 Siehe Bräuning (1990), S. 202: "Franz Erasmus Blondin tauchte mit einer eigenen Akrobaten- und Seiltänzergesellschaft in den Jahren um 1810 auf und ist wenig später mit einem wesentlich ausgebauteren Unternehmen zu finden, in dem Kunstreiten dominiert." ... "Ein nichtdatierter Anschlagszettel aus der Zeit um 1810 für die Gesellschaft von Saunders & Drake, die ihre 'Amphitheatre' auf dem Jahrmarkt von Paddock errichtet hatte, weist auf eine dort engagierte französisch-italienische Compagnie hin, der Blondin (wohl Franz Erasmus Blondin), Loyal, Godeau und Garnerin angehörten." Franz Erasmus Blondin stammte aus Gent in Brabant und bereiste mit seiner Gesellschaft ganz Europa.
*3 Eglise cath. St.-François-de-Salles (Dième, Rhône) [0742603] kein Heiratseintrag gefunden. Heirat war wohl nur standesamtlich.