Hugenotten

Hugenotten sind reformierte Christen, die nach der von Jean Calvin entwickelten Lehre und dem Bekenntnis der "Confessio Gallicana" ("confession de foi", französisches Glaubensbekenntnis von 1559) und der "Discipline ecclésiastique" (der Kirchenordnung von 1559) leben und die aus dem französischen Sprachraum stammen. Die Erklärung des Namens ist bis heute umstritten. Jedenfalls läßt sich seit etwa 1560 die Verwendung des Wortes "huguenot" als Negativbezeichnung der Gegner für französisch-reformierte Christen insbesondere in der Gegend um Tours an der Loire nachweisen. Im Zusammenhang mit der Sage vom Roi Hugo, der nachts durch die Straßen Tours zieht, wurden die Reformierten, die sich wegen der Anfeindungen nur nachts versammeln konnten, mit der Verkleinerungsform des Namens Hugo als "huguenots" (Hugenotten), also eigentlich als "lichtscheues Gesindel" bezeichnet. Später wurde aus der Fremdbezeichnung, dem Schimpfnamen, durch Umbewertung eine positive Eigenbezeichnung. Insbesondere im Preußen des 19. Jahrhunderts wurde der Name "Hugenotten" zu einem Ehrennamen, und man war stolz, Hugenotten-Nachkomme zu sein. Diese Erklärung ist heute am weitesten akzeptiert; es gibt noch andere, u.a. die Ableitung von dem schweizerischen Begriff "Eidgenossen" unter Bezug auf die Stadt Genf, in der Reformator Calvin lebte und wirkte. 

Diese neue Glaubensgemeinschaft genoss zunächst den Schutz des Königshauses, besonders unter Königin Margarete von Navarra und ihrem Bruder, König Franz I. von Frankreich. Gegen Ende seiner Regierungszeit wandte sich Franz jedoch gegen die Protestanten, aber obwohl sein Nachfolger Heinrich II. seinem Beispiel folgte, stieg ihre Zahl stetig an. Bei ihrer ersten Nationalsynode 1559 in Paris waren 15 Gemeinden vertreten, zu der nächsten, die zwei Jahre später stattfand, schickten 2.000 Gemeinden ihre Abgesandten.

Die Ausbreitung des Protestantismus löste unter den Katholiken Frankreichs Beunruhigung und Hass aus. Katharina von Medici, die Witwe Heinrichs II., die für ihren Sohn König Karl IX. die Regentschaft führte, verbündete sich von Zeit zu Zeit aus politischen Gründen mit den Hugenotten, meistens jedoch bekämpfte sie diese. Die Hugenotten kämpften für die freie Ausübung ihres Glaubens und die Anerkennung ihrer politischen und bürgerlichen Rechte; der König versuchte, sie zu unterdrücken. Schließlich kam es zum offenen Bürgerkrieg: zwischen 1562 und 1598 tobten zwischen den Katholiken und den Protestanten in Frankreich acht Kriege. Die Hugenotten erhielten Unterstützung aus England, Deutschland und der Schweiz, die Katholiken aus Spanien. Die Friedensverträge am Ende eines jeden Krieges gewährten den Hugenotten gewöhnlich ein gewisses Maß an religiöser und politischer Duldung. Da diese Verträge vom König und anderen einflussreichen Kräften jedoch vielfach ignoriert oder einfach außer Kraft gesetzt wurden, lebten die Kämpfe immer wieder auf. In der Nacht zum 24. August 1572 wurden auf Anordnung Katharinas und mit Zustimmung Karls in der berüchtigten Bartholomäusnacht Tausende Hugenotten in Paris, wo sich ihre Anführer aus Anlass der Hochzeit von Heinrich von Navarra versammelt hatten, und auf dem Land ermordet. Zu den Opfern gehörte auch Katharinas großer Gegenspieler Admiral Coligny.

 

Bild: Hugo Vogel, Holzstich von 1885: Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der "große Kurfürst", empfängt die aus Frankreich geflohenen Hugenotten im Postdamer Schloss.

Die beiden nächsten Kriege brachten keine militärische Entscheidung, dafür aber eine Bestätigung der politischen und religiösen Forderungen der Hugenotten. Im achten Hugenottenkrieg standen sich die Hugenotten unter Heinrich von Navarra und die katholische Liga unter Henri de Guise gegenüber. Die Hugenotten konnten den Katholiken 1587 bei Coutras eine schwere Niederlage zufügen. 1588 ließ Heinrich III. Henri de Guise ermorden und verbündete sich mit den Hugenotten, um das von der Liga besetzte Paris zu erobern. 1589 wurde Heinrich III. ermordet, Heinrich von Navarra übernahm als Heinrich IV. die Nachfolge, er konvertierte 1593 zum Katholizismus, um in Frankreich als König allgemeine Anerkennung zu finden; 1598 garantierte er den Hugenotten im Edikt von Nantes Gewissensfreiheit, die Bürgerrechte, örtlich begrenzte freie Religionsausübung und etwa 100 Sicherheitsplätze.

Die beiden nächsten französischen Könige, Ludwig XIII. und besonders Ludwig XIV., ließen in Ausübung ihrer absolutistischen Politik die Hugenotten wieder verfolgen, und es kam erneut zu Bürgerkriegen. Den politischen Sonderstatus der Hugenotten - sie waren aufgrund dieser Rechte beinahe ein Staat im Staate - beendete Kardinal Richelieu. Nach langer Belagerung nahm er 1628 ihren Hauptstützpunkt La Rochelle ein und widerrief im Edikt von Nîmes 1629 ihre politischen Rechte, beließ ihnen jedoch ihre religiösen Freiheiten, die dann Ludwig XIV. aber entscheidend einschränkte. Das faktische Verbot der Religionsausübung sowie die ständige Bedrohung seitens der Staatsmacht zwang Hunderttausende Hugenotten zur Emigration nach England, Deutschland, in die Niederlande, die Schweiz und die englischen Kolonien in Nordamerika. Besonders Brandenburg-Preußen förderte die Ansiedlung der Hugenotten, um 1700 stellten die Hugenotten ein Drittel der Berliner Bevölkerung. Sie beeinflussten wesentlich das Wirtschafts- und Kulturleben in Brandenburg-Preußen. Die Hugenotten, die in Frankreich blieben, ließen sich zum größten Teil in den Cevennen nieder; diese so genannten Kamisarden wurden im Cevennenkrieg 1702 bis 1705 bekämpft und schließlich unterworfen.

Im Lauf des 18. Jahrhunderts, im Zuge der Aufklärung, erhielten die französischen Protestanten nach und nach viele ihrer Rechte zurück. Im Toleranzedikt von Versailles im Jahr 1787 erhielten die Hugenotten die Duldung, im Code Napoléon von 1804 die volle Gleichberechtigung.